Eine kürzlich erfolgte ausführliche Berichterstattung zum Thema Gebrauchtsoftware zeigt ungeahnte Unsicherheiten und alte Vorurteile im Umgang mit diesem Thema auf. Soweit die Unsicherheiten darauf zurückzuführen sind, dass das Thema Gebrauchtsoftware für Verbraucher komplex und schwer durchsichtig erscheint, kann dem in einem begrenzten Maße beigepflichtet werden. Auch erwähnte Online-Händler, die bloße Product-Keys veräußern oder aber ihren Informationspflichten nicht nachkommen, sind klar als außerhalb der Lösungsmenge zu betrachten.

Ein Stück Rechtsgeschichte

Eine pauschale Abwertung eines Stücks Rechtsgeschichte und einer ganzen Branche durch ebenso pauschale Aussagen einschließlich der Tendenz zu vom Software-Hersteller autorisierten Vertriebskanälen, da andernfalls „ärgerlicherweise stets eine gewisse Unsicherheit“ bestände, erscheint dagegen unangebracht und ungerecht.

Zunächst: Ja, Freiheit bedeutet in der Regel, auch Risiken zu begegnen. Richtig ist auch, dass der Erwerb von Software direkt beim Software-Hersteller zu gewissen Vorteilen führt. Es gibt aber auch eine Reihe von Gründen genau dies nicht zu tun und von der durch den Europäischen Gerichtshof (*1) (EuGH) im Jahre 2012 eröffneten Möglichkeit des Verkaufs von – oftmals vergleichsweise günstigerer – gebrauchter Software zu profitieren. Dass es immer noch wie im Artikel erwähnt anderslautende Gerüchte geben soll, nach denen der Handel mit gebrauchter Software nicht erlaubt sei, ist dagegen kaum vorstellbar.

Der Erschöpfungsgrundsatz

Der EuGH entschied seinerzeit, dass auch im Wege eines Downloads veräußerte Software der sog. Erschöpfung unterliegt und ohne Zustimmung des Rechtsinhabers weiterverkauft werden kann. Der Erschöpfungsgrundsatz für Computerprogramme ist speziell in § 69c Nr. 3 UrhG (und nicht in dem im Artikel erwähnten allgemeinen § 17 UrhG) im deutschen Recht geregelt. Mit anderen Worten ist das Verbreitungsrecht des Herstellers (Rechtsinhaber) verbraucht, wenn er einmal seine Software mit dauerhaften Nutzungsrechten in den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht hat. Dann leben die europäischen Freiheiten des (freien) Handels auf. Natürlich darf ein vorheriger Erwerber der Software diese im Fall des Weiterverkaufs nicht weiter benutzen. Von einem „Labyrinth“ – wie es der Artikel betitelt – kann ausweislich dieser wenigen rechtlichen Maßgaben jedenfalls nicht gesprochen werden. Sehr wohl müssen die Voraussetzungen der Erschöpfung aber im Einzelfall mit (externen) Sachverstand geprüft und ohne Abstriche beachtet werden.

Generalverdacht gegen den Handel

Vor dem Hintergrund dieser Freiheit ist aber zunächst einmal die Grundannahme einer Unseriösität zumindest im B2B-Bereich und des Risikos, vom Hersteller aufgrund des Erwerbs gebrauchter Software in Anspruch genommen zu werden, nicht angezeigt. Selbst für die öffentliche Hand hat die Vergabekammer Westfalen (*2) ein solches Risiko verneint und gerade auf die außerordentlich gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen. Der Artikel hingegen spricht von nur „seriös anmutenden Anbietern“ sowie davon, nicht „garantieren“ zu können, dass ein Händler ausschließlich „saubere“ Lizenzen verkaufe und sich das nicht jederzeit, etwa nach dem Wechsel des Geschäftsführers oder -modells, wieder ändern könne“. Woraus sich diese übermäßige Skepsis bzw. Unterstellung ergeben soll, bleibt der Artikel schuldig. Im Übrigen ist die Umstellung auf gewerbsmäßigem Betrug nur mit (viel) Sarkasmus als Wechsel des Geschäftsmodells zu bezeichnen.

Das publizierte Misstrauen setzt sich fort, wenn selbst rechtlich einschneidende Maßnahmen, wie von Händlern erklärte Haftungsfreistellungen, als „Humbug“ mit der Begründung abgetan werden, dass „all diese Kosten […] ein Anbieter billiger Windows-Lizenzen kaum übernehmen“ werde. Nicht einmal die Wirksamkeit von rechtlich stark verpflichtenden vertraglichen Abreden und deren mögliche rechtsstaatliche Durchsetzung vermag also zu überzeugen.

Ursachenforschung

Rechtlich bzw. rational ist das so pauschal nicht nachzuvollziehen. Man fragt sich, was die Ursachen für solche Verlautbarungen und deren Motive sein könnten. Einspielen dürften hier die Emotionen der Beteiligten, manche schwarze Schafe in diesem Bereich und die dominanzgeprägte Audit-Angst vor dem Software-Hersteller, die selbst höchstrichterliche Urteile als unsicher erscheinen lässt. Hinzu kommt die große Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Standardsoftware. Jahrzehnte der globalen Marktmacht haben Unternehmen nahezu jeder Größe – aber auch den Staat – in eine große Abhängigkeit von primär US-Software-Herstellern gebracht, die durch die allgegenwärtige Digitalisierung und Cloud-Dienste noch an Geschwindigkeit zunimmt. Dieser Abhängigkeit und damit verbundenen Zwängen (rechtlich) Einhalt gebieten zu wollen, ist nur sehr eingeschränkt möglich. Umso bedeutsamer und schützenswerter sind Freiräume, die eine Beschränkung der Marktmacht bewirken und rechtsstaatlich durchsetzen. Hierzu zählt der Grundsatz der Erschöpfung in besonderem Maße.

Mit dem in den Lizenzverträgen vereinbarten Institut des Audits haben die globalen Software-Hersteller dagegen eine Drohgebärde aufgebaut, die zu einer großen Nervosität bei vielen Anwendern führt. Dabei sieht das Urheberrecht keineswegs ein generelles Auskunfts- und Prüfungsrecht des Rechtsinhabers von Software vor. Im Gegenteil bedarf es eines konkreten Verdachtsmoments, der oftmals nur schwer im Fall eines Rechtsstreits zu beweisen ist. Die Wirksamkeit von Audit-Rechten ist aufgrund der maßgeblichen gesetzlichen Grundgedanken (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) daher keineswegs gewiss. Das soll freilich nicht heißen, dass die Rechte der Software-Hersteller nicht sorgsam zu beachten sind. Dennoch ist hier eine gewisse Emanzipation von Kunden und auch gewissen Medien angezeigt.

Unschärfen

Auch weitere Aussagen in dem Artikel geben Anlass zur Kritik. So wird verkannt, dass der Bundesgerichtshof im Jahre 2014 nicht nur erklärt hat, dass sog. „Volumenlizenzen“ genauso (einzeln) veräußert werden können, sondern auch, dass Bestimmungen eines Lizenzvertrages, die den Einsatz der Software auf einen bestimmten Nutzerkreis (z.B. Angehörige von Schulen oder Universitäten) oder einen bestimmten Verwendungszweck einschränken, nicht das für den Erwerber von gebrauchter Software maßgebliche bestimmungsgemäße Nutzung (§ 69d Abs. 1 UrhG) regeln; diese also insoweit unerheblich sind.

Freiheiten & Potentiale

Ohne Frage ist es wichtig, Missbrauch rigoros aufzudecken und insbesondere „schwarze Schafe“ zu verfolgen. Der Schutz des Rechtsinhabers an seiner Software ist ohne Abstriche zu gewähren. Der erläuterte Grundsatz der Erschöpfung ist aber bereits das Ergebnis einer Interessenabwägung und nicht deren Ausgangspunkt. Dem Rechtsinhaber wurde die Freiheit gewährt, seine Software im europäischen Rechtsraum zu seinen Konditionen anzubieten und hierfür angemessen vergütet zu werden. Dann sind seine Rechte aber weitgehend abgeschnitten und die europäischen Freiheiten des (freien) Handels leben auf. Ein Rückschwenk zum Rechtsinhaber kann es außerhalb von (ggf. auch strafrechtlich) relevanten Missbrauchsfällen, der Nutzung gemäß den maßgeblichen Lizenzvereinbarungen und entsprechenden rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren nicht mehr geben.

Die Möglichkeit des Verkaufs und Erwerbs von gebrauchter Software würde es heute nicht geben, wenn eine risikofreie Lösung nach Ansicht des Herstellers gesucht worden wäre. Denn der damals involvierte Hersteller lehnte einen Verkauf ab. Entlarven kann eine überzeichnete Berichterstattung, die diese Freiheit konterkariert, daher nur der aufgeklärte Kunde – so er sich denn traut und etwaige Ängste überwindet. Über Freiheiten mit Augenmaß aufzuklären, sollte genauso Aufgabe einer ausgewogenen Berichterstattung wie eine Differenzierung zwischen rechtschaffenen Händlern und unseriösen Key-Resellern sein.

Fazit:

Das Thema Gebrauchtsoftware dürfte die einmalige Chance (gewesen) sein, sich ein Stück weit von den Vertriebsstrukturen der Hersteller zu lösen und von oftmals günstigeren Preisen zu profitieren sowie den europäischen Rechtsraum als Freiheitsraum und „Marke“ zu stärken. Umso bedauerlicher ist es, dass die Freiheit teilweise zerredet wird und Unsicherheiten durch überkritische Beiträge geschaffen werden. Dabei lohnt sich ein Ver- und Ankauf oftmals für Unternehmen und stehen verschiedene erfahrene Spezialisten für die Prüfung der maßgeblichen Rechtsfragen zur Verfügung.

(*1) EuGH, Urt. v. 03.07.2012 – C-128/11.

(*2) Beschluss vom 1.3.2016 – VK 1 – 02/16.